Es ist spannend, welche Dinge sich finden, wenn man im Zuge eines Nachlasses oder Umzugs die Schränke und Truhen unserer Großeltern durchgeht. Hier zeige ich Euch ein Tischtuch, welches wohl jahrelang im Schrank meiner Großmutter mütterlicherseits ein unbeachtetes Dasein gefristet hat. Diese Art Tischdecke ist vermutlich bereits vor einem halben Jahrhundert aus der Mode gekommen. Ich habe es zumindest nie in Benutzung gesehen. Und dass will etwas heißen, denn sowohl meine Oma als auch meine Mutter haben immer Wert drauf gelegt, dass die Tafeln mit weißen Tischtüchern bedeckt waren.
Es handelt sich hierbei um eine relativ große weiße Tischdecke, die aus vier kleineren Quadraten aus weißem Baumwolldamast mithilfe weißer Klöppelspitze zusammengesetzt wurde. Zumindest vermute ich, dass es sich bei den Spitzeneinsätzen um Klöppelspitze handelt. Die vier kleineren Damastdecken zeigen jeweils das gleiche Wappen.
Eingefasst ist die Decke rundherum mit einer etwas aufwändigeren Spitzenborte. Die Art, wie die Ecken und Übergänge gearbeitet sind lässt darauf schließen, dass es sich hierbei um Meterware gehandelt hat. Eventuell ist der Rand gehäkelt und die Borte dann daran angenäht. Meine Oma hat nie geklöppelt. Sie war insgesamt keine große Handarbeiterin, daher gehe ich davon aus, dass sie diese Decke nicht selbst gemacht hat. Leider kann ich sie aufgrund ihrer Demenzerkrankung dazu auch nicht mehr befragen.
Beim hübschen weißgestickten Monogramm in einer der Ecken handelt es sich jedoch um ihre Anfangsbuchstaben. Ich habe keine Ahnung, aus welcher Zeit diese Decke stammt. Meine Oma ist Jahrgang 1920. Sie ist in Pommern aufgewachsen und konnte erst Ende der 40er Jahre das russisch besetzte Gebiet verlassen. Ob es sich hierbei um einen Teil ihrer Aussteuer handelte? Oder eventuell ein Hochzeitsgeschenk von Anfang der 50er Jahre?
Insgesamt ist das Tischtuch noch gut erhalten. Die Spitze habe ich an einigen wenigen Stellen vorsichtig repariert und einige braune Stockflecken zeugen von der Lagerung in feuchter Umgebung, aber es ist ein wirklich interessantes Stück Textilgeschichte. Ich werde die Decke auf jeden Fall behalten und vielleicht doch auch mal wieder zum Einsatz bringen, obwohl ich kein großer Fan von Tischtüchern bin. Und Stücke wie dieses sind Zeugen von Handwerkskünsten, die heute nur noch wenige beherrschen. Allein das Monogramm ist ein kleines Kunstwerk.
Gibt es bei Euch auch solche textilen „Heirlooms“ oder Familienerbstücke, deren Geschichte eventuell im Laufe der Zeit verloren gegangen ist? Oder Stücke, die Euch an liebe Menschen erinnern, daran wo sie herkamen oder was sie ausgezeichnet hat?
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